Sogenannte Fußballfans

Manche Gedanken können uns über lange Zeiträume verfolgen und beschäftigen, vielleicht denken wir nicht pausenlos daran aber sie kommen immer mal wieder zum Vorschein. Eines dieser Themen ist bei vielen sicherlich der Fußball und insbesondere der immer schneller voranschreitende Wandel dem er sich bereits jetzt, sowie in Zukunft unterziehen wird.

Immer mal wieder kommen diese Gedanken zum Vorschein, besonders wenn, wie jetzt, ein Spiel gegen das Produkt aus Leipzig bevorsteht. Die „roten Bullen“ verkörpern all die Veränderungen des Fußballs in den letzten Jahren. Auch wenn das in Leipzig entstandene und in Österreich geplante Produkt nicht für diese Entwicklungen verantwortlich ist, in ihm wird alles vereint was wir so verabscheuen und zweifellos wird es weitere Veränderungen fördern. Der Wandel vom Volkssport Fußball mit all seinen teilweise rüpelhaften Facetten, hin zu einem mehr und mehr weichgespülten Event das Unternehmen gezielt als Investment nutzen um Marketinginteressen durchzusetzen oder einfach Kapital anzuhäufen. In der Öffentlichkeit, genauso wie in den Medien herrscht mittlerweile eine nicht mehr zu verachtende Sympathie mit solchen von Unternehmen gesteuerten Clubs. Eine der Argumentationen ist meistens, dass eben dies die Zukunft des Sports wäre. Die Unternehmen bringen Geld in die Clubs und damit auch in die Liga, denn dass weltweite Publikum will die besten Spieler und den technisch versiertesten Fußball sehen, für den sie gerne auch viel Geld bezahlen.

Aber genau hier liegt der Kalkulationsfehler der Verantwortlichen, unser Sport war schon immer mehr als nur Fußball. Unser Sport war Identifikation, Werte, Emotion und vieles mehr. Nicht alleine die Kunst auf dem Rasen hat den Fußball groß gemacht, es war die Symbiose zwischen dem Sport an sich und seinem höchst emotionalen Umfeld. Das ist es auch was uns von den Sympathisanten des Produktes grundlegend unterscheidet, uns tatsächlich zu den besseren Fans macht. In sportlich erfolgreichen Zeiten, füllt sich ein Stadion schon fast von selbst, in Leipzig genauso wie in Kaiserslautern. Viele Menschen haben Interesse an gutem, erfolgreichem Sport. Um Fan zu werden braucht es jedoch mehr als nur gelegentliche Besuche eines Fußballspiels, Fan wird man nicht weil man erfolgreichen Sport sehen möchte. Ein Fan steht zu seinem Verein, egal ob dort gerade hochklassiger Sport geboten wird oder nicht. Dazu braucht es jedoch etwas elementares, es braucht eine emotionale Bindung mit dem Sport, dem Verein und seiner Idole und Geschichte. In schlechten Zeiten können wir uns an diesen festhalten. Wir denken an unsere Meisterschaften und Pokalsiege, die legendäre „Walter Elf“ aber auch an Abstiege und Wiederaufstiege. Wir denken zurück an diese verrückte Meisterschaft die wir uns als Aufsteiger erkämpft haben, an das sieben zu vier gegen die übermächtigen Bayern, viele unvergessliche Europapokalabende, den ersten Abstieg in Leverkusen. Aber nicht nur sportliche Höhepunkte und Tiefschläge brennen sich in unser Gedächtnis.

Wir denken auch an viele kleine Momente wie die Reaktion der Kurve nach der verlorenen Relegation gegen Hoffenheim oder dem Glücksgefühl in dieser atemberaubenden Pokalnacht in Leverkusen, an das die ganze Pfalz mobilisierende Abstiegsendspiel gegen Köln. Es sind die Erfahrungen die wir bereits früh sammelten, wenn beispielsweise der rüstige Opa vor seinem Fernsehgerät bei jeder Fehlentscheidung des Schiedsrichters aus seinem Sessel sprang und fluchte wie der Teufel oder, wenn der Vater nach einem gewonnen Spiel den Schal aus dem Autofenster hängte. Das sind nur zwei banale Dinge die jedoch genau diese Faszination widerspiegeln, all das was unseren Sport einst ausmachte. Der Kampf, rau und ruppig, der Stolz auf seinen Verein und die Region, der Zusammenhalt, elf gegen elf und natürlich die ehrlichen Emotionen welche erwachsene Männer weinen ließen wie Kinder. Wut, Freude und Trauer, so nah beieinander. All das macht uns zu dem was wir sind, Fans des 1. FC Kaiserslautern. Eines Clubs der in seiner langen Geschichte finanziell nie auf Rosen gebettet war und bis auf kurze Episoden nie im Konzert der Großen mitspielen durfte, der sich seit fast einem Jahrzehnt im permanenten Sinkflug befindet. Für uns spielt der sportliche Erfolg natürlich ebenfalls eine Rolle, aber solange wir uns mit dem Verein und unserer Geschichte identifizieren können werden wir da sein. Die gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Vergangenheit halten uns zusammen, das Erbe Fritz Walters und all die schönen aber auch schweren Zeiten verbinden uns auf Ewig mit diesem Verein. All das ist und wird, so, in Leipzig niemals gegeben sein. An was kann sich jemand, der sich jetzt Fan von RB Leipzig nennt, klammern wenn es mal nicht so läuft wie geplant, wenn der Erfolg ausbleibt und der graue Alltag Einzug hält?

Ein Produkt, geschaffen von einem völlig fremden Konzern, austauschbar und seelenlos. Dort gibt es keine Werte, keine Tugenden an denen man sich festhalten könnte. All das was in Kaiserslautern über Jahrzehnte durch Fleiß und bedingungslosen Einsatz einer Gemeinschaft geschaffen wurde, ist in Leipzig durch die Gelder des Red Bull Konzerns aus dem Boden gestampft worden. Dadurch kann dort niemals, auch nur ansatzweise, eine tiefgreifende Identifikation mit dem Club entstehen. Einzig die Aussicht auf den ganz großen sportlichen Erfolg dient den Anhängern als verbindendes Element, als Verbindung zwischen Ihnen und dem Club. Das System Leipzig basiert ausschließlich auf den finanziellen Zuwendungen eines österreichischem Unternehmens, welches eigentlich lieber in bestehende Strukturen in Düsseldorf investiert hätte. Diesem Konzern ist es auch reichlich egal wie viele Leute die Spiele im Stadion verfolgen, was zählt ist das Ergebnis des Investments dessen Marketinggedanke weltweit Früchte tragen muss. Leider merken viele dieser armseligen Kunden nicht einmal, dass sie lediglich willkommene Schachfiguren im Spiel von Red Bull sind und umso trauriger ist es, dass gerade diese Leute sich als wahre Fans fühlen. Sie wollen die „Fußballfans“ von morgen sein, ihnen ist egal wessen Trikot sie gerade tragen und welcher Investor gerade über die strategische Ausrichtung des Clubs entscheidet. Hauptsache ihnen wird guter Sport geboten und sie können sich gegenüber anderen Erhaben fühlen. All das wäre vielleicht noch einigermaßen ertragbar, aber gleichzeitig machen sie sich dadurch zu Marionetten die in nicht unerheblichem Maße an der Zerstörung unseres geliebten Sports, dem Volkssport Fußball in all seiner Ehrlichkeit, Tüchtigkeit und Emotion, beteiligt sind.

Es ist an uns ihnen zu zeigen, dass wir sie niemals akzeptieren werden. Solange unsere Werte noch etwas zählen und das Geld der Investoren den Grundgedanken des Fußballs nicht vollständig verdrängt hat, werden wir sie und ihr Projekt bekämpfen. Ein weichgespülter, aalglatter Fußball dessen sogenannte Fans gerne die Kunden ihrer Produkte spielen wird auf Dauer nicht von Erfolg gekrönt sein. Ohne unsere Emotionen, unsere Hingabe und Leidenschaft aber auch unsere Schroffheit wird die Magie dieses Sports verloren gehen und mit ihr auch der positive Werbeeffekt der investierenden Konzerne.

Keine Normalität für RB Leipzig!