Der Ehrenpräsident des FCK, Norbert Thines, ist im Alter von 80 Jahren verstorben. Auch nach seiner Amtszeit stand er wie kaum ein Zweiter für die Werte unseres Vereins. Aus diesem Grund wollen wir ein älteres Interview mit ihm, welches im Rahmen des Wegbegleiters geführt wurde, der Öffentlichkeit zugänglich machen. Ruhe in Frieden Norbert!
Mit einigen Wochen Verspätung soll heute unser Interview mit Norbert Thines stattfinden. Norbert Thines? Eine Legende!
Während wir durch die engen Gassen unserer Stadt fahren, philosophieren wir über das folgende Interview: Wie wird er uns empfangen? Wie wird er auf unsere Fragen reagieren? Norbert Thines: Geschäftsführer, Vizepräsident und später Präsident unseres Vereins!
Niemand, der große Reden schwingt mit vielen leeren Phrasen, nein! Lieber jemand, der anpackt, etwas verändern will und seine Meinung auch gegen Widerstände verteidigt. Dass diese und weitere Eigenschaften haargenau auf Norbert Thines zutreffen, durften wir dann einige Minuten später selbst erfahren. Ein herzlicher Mensch öffnet uns in lockerer Art die Tür seines bescheidenen Hauses. Zunächst gratulierten wir ihm zu seinem 70. Geburtstag, welchen er einige Tage zuvor gefeiert hatte, und übergaben ihm Geschenke im Namen der Gruppe.
Während wir uns dann in Richtung Garten bewegten und uns niederließen, betrachtete er insbesondere die von uns mitgebrachten Collagen mit Choreographien unserer Gruppe. Er begann zu sprechen, voll des Lobes über unsere Aktionen und sprach uns zu, dass Leute wie wir diesen Verein ausmachen. Dass Fans wie wir den FCK zu dem machen, was er ist und dass er riesigen Respekt vor unserer Arbeit hat. Wow – und das aus dem Mund eines Mannes, der schon alles gesehen und erlebt hat! Wir waren perplex, aber auch ein wenig stolz, während Norbert Thines weitersprach. Und während er erzählte, war seine unglaubliche Lebenserfahrung spürbar. Spürbar, welch großes Herz dieser Mann für andere Menschen hat, während er uns von den mittlerweile 25 Hilfskonvois erzählte, welche vor allem in Richtung Ostblock gelaufen und von ihm federführend mitorganisiert worden waren. Man spürte seinen Stolz über den FCK-Fanclub aus Bulgarien, welcher sich gar nach ihm benannte, da er aus eben diesen Beziehungen entstand. Und so führten wir in den folgenden zwei Stunden ein großartiges Interview mit vielen schönen Anekdoten eines unfassbar herzlichen, aufgeschlossenen und sozialen Menschen, welches uns definitiv ein Stück weit geprägt hat – Danke, Norbert Thines!
Herr Thines, als Kind haben Sie die Spiele auf dem Betzenberg noch von den Bäumen außerhalb des Stadions verfolgen können, heute pilgern die Massen in ein mehrfach ausgebautes WM-Stadion. Welch ein Gefühl ist das heute für Sie?
Ja, das ist die Wahrheit, damals hatte ich kein Geld gehabt (lacht). Natürlich ist man auf einer Seite stolz, denn die WM beispielsweise wäre niemals hierhergekommen, wenn wir nicht damals nach absolut modernsten Gesichtspunkten das Kernstück des Stadions, die Nordtribüne, umgebaut hätten. Wir waren vorher nach Amerika geflogen und hatten uns die Super Domes angeschaut, das waren traumhafte Stadien. Natürlich wussten wir, dass wir nicht alles von dort auch bei uns umsetzen können. Was Sicherheitsanlagen und VIP-Logen und all das, was Geld bringt betrifft, waren uns die Amerikaner weit voraus. Hier steckte dies alles noch in den Kinderschuhen. Wir wussten, dass manches gewöhnungsbedürftig sein würde, die Leute sich daran aber gewöhnen würden mit der Zeit. Der Umbau der Nordtribüne, welcher in meine Amtszeit fällt, wurde also unter modernsten Gesichtspunkten vollzogen. Daran haben sich dann nach meiner Zeit die Südtribüne und der Rest angeschlossen. Das war für den DFB so vorbildlich, dass er bereits um 1995, als noch gar nicht sicher war, dass Deutschland sich für die WM bewerben oder sie sogar bekommen würde, anfragte, was wir denn anbieten könnten und was machbar wäre, denn nach dem damaligen Status Quo hätten wir aufgrund der zu geringen Kapazität kein Spiel bekommen dürfen. Mein Standpunkt war damals, dass wir dort mitmachen, aber kein Geld haben, um es in die Hand zu nehmen und daher alles so anbieten, wie es ist. Daraufhin sagte die Kommission, dass wir dann nur ein Spiel bekommen würden. Ich fand das in Ordnung, wir waren in diesem Zirkus drin, brauchten aber kein Geld für Umbaumaßnahmen, die Stadt partizipierte daran und das wäre gut gewesen. Aber den großen Stil, wie das Stadion dann ausgebaut wurde, wollten wir nicht. Wir brauchen uns dennoch nicht zu sehr über ein zu großes Stadion zu beschweren, denn ich denke, wenn die Entwicklung so weitergeht, wird es genau richtig sein. Ich glaube, damals mit gutem Blick in die Zukunft gehandelt zu haben. Gerade bezüglich mancher Forderungen konnten wir auch vieles abwenden, zum Beispiel was das Thema Versitzplatzung betrifft. Natürlich mussten wir Kompromisse eingehen, was aber mit Sicherheit besser war, als mit leeren Händen dazustehen. Dort hatten die Fans auch einen großen Anteil mit ihren Aktionen wie „Sitzplätze sind für’n Arsch“, das habe ich auch immer unterstützt. Wenn wir dann zwei, drei Mal im Monat in Frankfurt in der Zentrale zusammenkamen, hab‘ ich dafür immer eins auf den Deckel bekommen (lacht). Was mich ein wenig stört, sind die unnahbaren Verhältnisse, die teilweise herrschen. Klar, Stefan Kuntz ist da eine Ausnahme, aber wer kennt die anderen Mitarbeiter? Ich finde, sie sitzen zu viel im Büro und gehen zu wenig zu den Leuten. Unser Verein ist prädestiniert für ein familiäres Miteinander.
Die Zeit Ihrer ersten Stadionbesuche fiel in die ganz große Zeit des 1.FC Kaiserslautern, die der Walter Elf. Haben diese Mannschaft und ihre Einstellung Sie nachhaltig geprägt?
Auf jeden Fall. Wir waren damals immer beim Training, haben den Spielern die Bälle geholt. Bei den Spielen wurde es dann schwieriger, entweder mussten wir versuchen uns an den Ordnern vorbeizustehlen oder wir wichen eben auf die Bäume hinter der Osttribüne aus. Du hast zwar nur ein Stück vom Rasen gesehen und ab und zu ist mal einer drüber gestolpert und wenn die anderen geschrien haben, hast du auch geschrien, aber das war das Größte für dich.
Wir haben auch zu meiner Zeit versucht, alles immer transparent zu machen. Damals zehrten ja noch alle von der Walter Elf und dieser Ära und unser Ziel war es immer, sie mit der aktuellen Mannschaft zusammenzuführen um eben diese Tugenden, die sie zweifellos verkörpert hatten, weiterzugeben. Die sind damals nicht bei jedem Streicheln umgefallen, da ist gerackert worden und wenn du umgetreten wurdest, dann bist du wieder aufgestanden. Diese Tugenden wollten wir weitervermitteln, auch beim Feiern. Heute gehen sie zum Italiener, wir haben noch Pfälzer Weinfeste gefeiert, richtig zugeschlagen (lacht). Hans-Peter Briegel zum Beispiel konnte drei Liter Bier trinken und hat noch besser gespielt als jeder andere. Natürlich wussten die Spieler trotzdem was sie machen dürfen und was nicht. Dieses Kameradschaftsding kann auch nur funktionieren, wenn du Vorbilder hast.
Stichwort Spieler: Gab es früher noch zahlreiche Spieler, welche dem Verein über Jahre hinweg treu blieben und die sich mit Fans und Verein identifizierten, so ist der dienstälteste Spieler heute meistens noch nicht einmal drei Jahre im Verein. Wie beurteilen Sie die heutige Spieler-Generation?
So wie sich unsere Gesellschaft verändert, so verändert sich auch die Situation im Sport. Alles ist schnelllebiger und kurzfristiger geworden. Die Verträge haben eigentlich gar nicht mehr die Wichtigkeit, wie sie sie noch zu unserer Zeit hatten, da existierte noch eine Bindung und das galt für beide Parteien. Heute ist mancher Vertrag nicht mehr wert als ein Stück Klopapier. Es ist nun mal leider eine Zeit angebrochen, in der verschiedene Faktoren zusammenspielen, und das ist das Ergebnis.
Was mich sehr stört, ist die Unsitte mit den Beratern. Sie verdienen ja nur, wenn der Spieler wechselt. Wenn ich manchen Spieler höre, wie sehr sein Herz doch am Verein hinge und er ein paar Wochen später sein Herz wieder vergessen hat, weil er irgendwo fünf Mark mehr verdienen kann, dann kann ich nur den Kopf schütteln.
Sie haben immer für Bodenständigkeit beim FCK plädiert. Ihr Fazit über das künstliche Produkt aus Hoffenheim dürfte dann eindeutig sein, oder?
Ich habe Hochachtung vor Dietmar Hopp, weil er in seiner Region so etwas aufgebaut hat. Dennoch ist es richtig: Das ist eine Retortensache, eine Werksmannschaft, Traditionsbewusstsein gibt es dort nicht, die sind ja erst fünf Jahre alt oder so (lacht). Wir kannten das ja damals nur aus Amerika, da hat ein Investor am einen Tag einen Fußballverein gekauft, und wenn er nach ein paar Wochen wieder mehr Lust auf Baseball hatte, dann ließ er den Verein wieder fallen. Wenn wir solche Verhältnisse bekämen, wäre das eine Katastrophe. Wir müssen solche Vereine aber ertragen, da alles legal ist. Dennoch wären wohl manche sehr froh gewesen, hätte Dietmar Hopp sich damals für den FCK engagiert.
Am 27. November 1976 kam es bei der Partie Kaiserslautern gegen Düsseldorf in der 76. Minute und beim Stand von 0:1 nach wiederholten Flaschenwürfen zum ersten Spielabbruch nach Zuschauerausschreitungen in der Bundesliga- Geschichte. Das Spiel wurde schließlich mit 0:2 gewertet. Wie waren damals die Reaktionen im Verein und bei den Fans? Gab es außer der Wertung weitere Konsequenzen vom DFB oder vom Verein für die Fans?
Wir wissen heute, dass der DFB damals einfach ein Exempel statuieren wollte. Dass dafür natürlich immer der arme FCK herhalten musste, das war traurig (lacht). Denn gemessen an den Dingen, die heute teilweise passieren, war das eine Lappalie.
Die Fanszene und Fankultur hat sich in den letzten Jahrzehnten stetig gewandelt. Zu den noch „wilderen“ Zeiten in den Achtzigern waren Sie schon im Verein, später Präsident. Wie haben Sie diese Zeiten damals miterlebt und welche Erfahrungen haben Sie mit den FCK-Hooligans gesammelt?
Zu den Hooligans habe ich immer eine Hassliebe gehabt. Ich habe immer versucht, den Leuten zu helfen, da unter ihnen auch viele sozial ärmer gestellte Menschen waren. Ich konnte damals über meine Beziehungskreise viele in Arbeitsstellen unterbringen und ihnen so zeigen, dass wir es gut mit ihnen meinen. Viele haben sich dadurch auch zum Positiven verändert, sind älter und ruhiger geworden, haben auch mal selbst eine drauf bekommen und hatten dann keine Lust mehr drauf zu schlagen (lacht). Stalin-Zeiten waren das. Damals war ich eine Zeit lang Vizepräsident und wir haben gesagt, wir wollen mit den Leuten in Kontakt kommen, haben sie eingeladen. Viele von ihnen hatten damals Stadionverbot, aber da haben sie sich nicht drum geschert. Dann standen sie im blauen Anzug auf der anderen Seite und machten eben dort Randale (lacht). Damit hat man sie nicht richtig in den Griff gekriegt, die Überwachungsmöglichkeiten waren ja auch noch sehr beschränkt. Wir haben nächtelang mit ihnen diskutiert und sie beispielsweise beim Stadionfest eingesetzt. Da haben sie dann vom Polizeistand die Böller, die dort ausgestellt waren, geklaut. Dann durfte ich den Streit schlichten (lacht). Ich hatte da aber auch keine Hemmungen, war alleine auf ihren Partys, ihren Weihnachtsfeiern und so weiter. Das wurde mir von vielen Seiten krummgenommen, die Polizei sagte immer, ich solle mich von diesen Leuten fernhalten. Doch die Gespräche wurden mit der Zeit fruchtbar, wir haben ihnen gesagt: „Macht euch nützlich für den Verein!“ Wir gaben ihnen Stellen im Ordnungsdienst und das war der beste Ordnungsdienst, den wir je hatten. Das war dann tatsächlich etwas Sinnvolles für ihren Verein, denn mit ihrem Hooligankram haben sie dem Verein ja nicht geholfen, sondern geschadet.
Es war eine mühevolle Zeit, aber es hat sich gelohnt. Eine Anekdote: Damals hat sich alles, was zum rechten Spektrum zählte, hinter der Reichskriegsflagge versammelt. Dabei wussten die meisten nicht mal, was das ist. Im Block haben sie Hitlergrüße und alles gemacht. Ich bin dann alleine, ohne Ordner, hin und habe die Fahne runtergerissen. Die Polizei hat sich fast ins Hemd gemacht (lacht). Zwar haben sie mich böse angeschaut und umringt, aber ich habe ihnen gesagt, dass die Fahne ab dem heutigen Tage im Stadion verboten sei.
Unser permanentes Bemühen hat sich ausgezahlt, wir hatten am Ende einen Haufen braver Buben (lacht). Leider haben die Medien auch ihren Teil dazu beigetragen. Da haben die sich in Wattenheim auf der Höhe verschlagen und ein regionaler Sender hat ihnen das Bier bezahlt, damit er darüber berichten durfte. Das waren gestellte Sachen, mit denen sie die jungen Kerle gefangen haben, das war schade mit der Sensationsgeilheit. Es war aber eine schöne Zeit mit den Jungs!
Rückblickend kann man heute festhalten, dass Sie Ende der Siebziger schon fast als Begründer der aktiven Fanarbeit beim FCK zu sehen sind. In dieser Zeit gründeten sich die ersten Fanclubs und die ersten Fantreffen wurden organisiert. Wie nahm der Verein diese Situation wahr, dass sich die Fans nun in eigenen Bündnissen organisierten? Sie waren dabei federführend für regelmäßige Treffen mit den Fanclubs verantwortlich. Was waren damals die Themen bei solchen Treffen, was hat die Fans bewegt?
Ich war zuvor sieben Jahre lang Geschäftsführer der Diözese in Speyer und habe dort Jugendarbeit betrieben. Daher war mir bewusst, dass man mit jungen Leuten etwas machen muss. Man muss mit ihnen zurechtkommen und versuchen, sie so zu nehmen, wie sie sind. Das habe ich also schon mitgebracht. Der Herr Müller, der damalige Präsident, sagte zu mir: „Mit den Fans fangen Sie nichts an, die Briefe werden weggeschmissen! Wenn die erst mal was zu sagen haben, dann können wir einpacken und haben nichts mehr zu melden!“ Das war seine Philosophie. Doch ich habe nie lockergelassen und nach ein paar Wochen hat er schon gesagt: „Machen Sie doch was sie wollen, das machen sie ja eh“ (lacht).
In dieser Zeit haben sich rund 200 Fanclubs gegründet. Wir haben jedoch nicht nur zusammen getrunken, sondern auch sinnvolle Dinge in Gang gesetzt, beispielsweise auf der Burg Lichtenberg. Da kamen 4.000 Jugendliche zusammen, klar ging dort was ab. Aber wir haben auch einen Gottesdienst gefeiert, es gab eine Podiumsdiskussion zum Thema Gewalt in den Stadien mit hoch angesehenen Journalisten und die Mannschaft hat ein Spiel gegen eine Auswahl der Leute bestritten.
Natürlich gab es auch damals schon Schlachtrufe und Gesänge in der Kurve, aber nicht in der Form der Perfektion, wie ihr heute zum Beispiel eure Choreographien macht.
Wir haben damals eine Mustersatzung angefertigt. Punkt eins war natürlich immer, dass der FCK auf Gedeih und Verderb so gut wie möglich unterstützt werden sollte. Aber dann kam auch schon, dass jeder Fanclub versuchen sollte, in seiner Region eine soziale Aktion durchzuführen, worauf auch sofort 75% der Fanclubs aufgesprungen sind. Und dieses Bild in der Gesellschaft, dass sich die FCK- Fans auch sozial engagieren, das hat unserem Verein ebenso viel gebracht wie beispielsweise ein gutes Fußballspiel. Das geht leider unter, wird so abgetan als sei es selbstverständlich, was es aber nicht ist.
Wie entstand damals die Idee, den Fanbeirat ins Leben zu rufen und wie war die Resonanz auf diese neuen Posten in der Fanarbeit?
Es war immer sehr schwierig, solche Dinge umzusetzen, sofort gab es Widerstand. Doch ich war immer ein Anhänger von, ich nenne das Demokratur (lacht). Wenn ich etwas im Kopf hatte, dann habe ich das auch umgesetzt. Zum Beispiel der erste Ausländerbeauftragte in der Bundesliga, den habe ich eingestellt. Wir hatten ja sehr viele Portugiesen, für die wir eine eigene Abteilung eingerichtet haben, während es beispielsweise in der Boxabteilung eher Russen waren. Auf jeden Fall war ein Ausländer bei uns immer ein gleichwertiger Partner, das hat es nie gegeben, dass dort oben jemand diskriminiert wurde, es sei denn vom Brehme oder so ‘nem Dummkopf. Bei uns war ein Ausländer genauso Sportskamerad wie jeder andere auch.
Der Hintergrund des Fanbeirats war, dass alle Regionen abgedeckt sind, dass wir in jeder Region ein Sprachrohr haben. Ich habe mich bemüht, dass sie an den Verein angebunden sind, mehr Informationen erhalten und in manchen Dingen, natürlich nicht überall, auch ein Mitsprachrecht eingeräumt bekommen. Aber bei Entscheidungen wie zum Beispiel mit dem Familienblock oder den Rollstuhlfahrerplätzen, da gab es immer Diskussionen, weil das Wirtschaftliche im Vordergrund stand. Es hieß damals, der DFB verlange 25 Rollstuhlfahrerplätze, da habe ich gesagt: „Ich verlange 100!“ Denn ich wusste, dass bei großen Spielen immer 100 Rollstuhlfahrer da waren. „Wenn Sie jemanden mit Behinderung, der sich die große Mühe gemacht hat auf den Betze zu kommen, abweisen möchten, dann tun Sie das bitte selbst!“ Da hatte ich viel Krach bei uns innerhalb des Gremiums, aber wir haben die 100 Plätze durchgesetzt! Klar, du verlierst ein paar Tausend Mark pro Spiel, aber du gewinnst Sympathien und die Herzen der Menschen. Und gerade die Behinderten sind so treu und mit ganzem Herzen dabei. Das sind so Dinge, wo ich immer versucht habe, andere Wege zu gehen.
Das Spiel mit dem Feuer Teil eins: Beim UEFA-Cup-Duell gegen Neapel im November 1982 drohte die Begegnung aufgrund von Nebel auszufallen. Mit einem Feuer wurde der Nebel quasi vertrieben. Wie darf man sich eine aus heutiger Sicht unglaubliche Aktion bei einem internationalen Spiel vorstellen?
Das stimmt, das ist heute unvorstellbar. Der Nebel war grauenhaft und hat sich im Stadion gestaut. Mir hatte mal jemand von der Uni erzählt, dass man Nebel in einem geschlossenen Dings mit der Thermik bekämpfen kann. Das hatte ich irgendwo im Hinterkopf. Zwei Stunden vor dem Spiel standen alle Zeichen auf Abbruch. Da sagte ich zum Ordnungsdienstleiter, dass sie alles Brennbare suchen, Öl drüber kippen, anzünden und hinters Tor stellen sollten. Und tatsächlich, es hat geklappt! Man hatte zwar nur Sicht bis zum Tor, aber der Schiedsrichter sagte, wenn man von einem Tor bis zum anderen sieht, pfeift er an. Und genau das hatten wir geschafft. Innerhalb von zwei Stunden hatten wir das Stadion gegen die Naturgewalten gewappnet (lacht).
Das Spiel mit dem Feuer, die Zweite: Barcelona 1991. Nicht nur die Kurve leuchtete damals im Schein von bengalischen Feuern, auch die Augen vieler Fans leuchten noch heute bei den Erinnerungen an diese Zeiten. Pyrotechnik, welche damals auch für die besondere Atmosphäre auf dem Betzenberg mitverantwortlich war, ist heute verboten. Wie denken Sie über diese Verbote?
Ich habe zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits denke ich, dass wenn Verantwortlichkeit vorherrscht mit so etwas umgegangen werden kann, zum Beispiel auch bei Choreographien – aber wie gesagt, verantwortlich. Es kann nicht sein, dass junge Kinder, die keine Vorstellung von den Gefahren haben, womöglich ihren Gegenmann anstecken (lacht).
Wie gesagt, ich bin zwiegespalten. Einerseits Ordnung und Sicherheit, die wichtig sind, andererseits muss man auch hier einen Mittelweg finden, durch den man verantwortlich zündeln kann. Wir haben die Bilder ja auch alle im Kopf, das waren ja teilweise echte Höllenfeuer. Dass da nie mehr passiert ist! Das waren also schon verantwortungsbewusste Jungs!
Von Seiten der Verbände wird gerne auf die soziale Aufgabe und Integrationsfunktion des Fußballs hingewiesen, denen er in vielen Bereichen zweifelsohne auch gerecht wird. Mit Hinblick auf die immer weiter voranschreitende Kommerzialisierung und Professionalisierung in den höheren Ligen oder auch bei Turnieren wie der Welt- oder Europameisterschaft stellt sich aber die Frage, ob es den Verbänden in diesen „Etagen“ nicht nur noch ums Geld geht und die soziale Komponente nicht nur Schein und Etikett hinter einem riesigen Geschäft ist. Gibt es so etwas wie Werte oder eine soziale Funktion im Profifußball überhaupt noch?
Es muss nicht nur mit schönen Transparenten dargelegt werden, sondern es müssen Menschen dahinterstehen, die das auch leben. Was der DFB im Großen und Ganzen tut, ist in Ordnung. Auch so Initiativen wie die „Egidius Braun Stiftung“ in Mexiko sind vorbildliche Leistungen. Das Positive überwiegt zum Glück deutlich, aber es ist natürlich immer mehr möglich.
Die FCK Fans und Fanclubs sind für ihr starkes Engagement im sozialen Bereich bekannt. Auch Sie sind beispielsweise Schirmherr der Aktion „Sozial aktiv“ und konnten darüber hinaus das soziale Engagement der Fanclubs würdigen. Haben Sie Ideen, wie man diesem Bereich größere Präsenz beimessen kann?
Es war ein guter Ansatz, dass die sozialen Aktivitäten der Fanclubs vor dem Spiel gewürdigt wurden. Das ist heute leider nicht mehr so regelmäßig der Fall. Erstens haben die Fanclubs das verdient, dass man ihre Arbeit lobt und plakativ zur Nachahmung zeigt und zweitens ist das doch eine schönere Geschichte als wenn man irgendwelche Werbefilme macht. So viel Platz muss sein! Das war etwas, wobei sich die Fans artikulieren konnten, das ist jetzt wieder weniger, das ist schade.
Was ich gut finde ist, dass etwas von der Mannschaft kommt. Martin Amedick engagiert sich hier, wie ich eben gesagt habe: Nicht nur reden, sondern auch handeln. Allgemein finde ich aber, dass hier mehr beim FCK passieren müsste in sozialer Hinsicht.
Erzählen Sie uns bitte mehr über Ihre Initiative „alt-arm-allein“.
Vor dreizehn, vierzehn Jahren tauchte in den Medien erstmals der Begriff „Altersarmut“ auf. Damals wusste aber noch niemand, was das ist. Wir hatten damals immer einen Stammtisch mit den zwei Pfarrern der Kirchen, Journalisten von Zeitungen und noch ein paar anderen Leuten, die sich spontan alle paar Wochen zusammensetzten und besprachen, was schief läuft in der Gesellschaft und was man verbessern könnte. Das war ein guter Einstieg. Dann haben wir gesagt, wenn es die Altersarmut in Lautern gibt, dann werden wir allen Menschen, die nachweisbar in Altersarmut leben, einen Herzenswunsch erfüllen. Dazu setzten wir einen Spendenaufruf in die „Rheinpfalz“ und bekamen auch eine Menge Geld. Allerdings konnten wir das alles gar nicht ausgeben, denn die betroffenen Leute haben sich nicht gemeldet, weil sie sich geschämt haben. Da gab es also eine Barriere. Trotzdem haben wir weitergemacht und versucht an die Leute heranzukommen. Sie kommen nicht zur dir, wir müssen auf sie zugehen. Es ist nicht wichtig welche Konfession oder Herkunft die Person hat, es zählt allein die Bedürftigkeit. Dann helfen wir dieser Person. Politik bleibt bei uns raus, bei uns zählt die Verschwiegenheit, die Leute sollen ihr Leben verbessert bekommen, aber nicht draußen auf dem Markt ausgestellt, wie es die Politiker gerne tun. So haben wir mit den Jahren einen Lernprozess durchlaufen.
Wenn wir uns nur eine Stunde mit den Leuten unterhalten, dann wissen wir schon viel über sie. Auf den Ämtern redet niemand mit ihnen, deshalb versuchen wir durch Gespräche herauszufinden, wo genau sie Hilfe benötigen und was man in ihrem Leben verbessern könnte. Auf den Sitzungen beschließen wir dann, wer welche Hilfe auf welche Weise bekommt. Das hat sich mittlerweile zu einer riesigen „Firma“ entwickelt. Wir haben zurzeit 60 ehrenamtliche Mitarbeiter, die in die Wohnungen gehen und die Leute mit allem was sie benötigen versorgen. Dann ist da eine weitere Komponente, es heißt ja „alt-arm-allein“- Wenn jemand allein ist, tut er sich ungleich schwerer, als wenn er einen Partner hat. Diese Leute haben wir insbesondere im Fokus. Daher organisieren wir viele Veranstaltungen, welche die Gemeinschaft fördern, wo sie essen, trinken und Spaß haben können – einfach unter Menschen kommen. Zudem organisieren wir für depressive Menschen immer eine Weihnachtsfeier mit einem schönen Programm, damit auch diese Leute Harmonie spüren und ein ordentliches Weihnachtsfest erleben können, statt von Selbstmordgedanken geplagt zu werden.
Allgemein wird immer versucht mit den Menschen gemeinsam und nicht über ihre Köpfe hinweg Lösungen für sie zu finden. Wir betreuen momentan rund 450 Leute, davon 200 in Heimen. Sie bekommen kein Geld von uns, aber wenn jemand beispielsweise einen Friseur benötigt, dann schicken wir einen Friseur zur betreffenden Person.
Auf welche Spiele innerhalb Ihrer Amtszeit blicken Sie am liebsten zurück? Welche sind Ihnen negativ in Erinnerung geblieben?
Eine besondere Freude hatte ich immer bei Spielen gegen 1860 München. 1860 war von der sozialen Struktur her der gleiche Verein wie wir. Karl-Heinz Wildmoser war dort damals Präsident. Wir hatten einmal im Flughafen Riem zusammen eine Veranstaltung, da waren 5.000 Fans. In der Nacht nach dem Spiel gegen München haben wir dort eine traumhafte Party gefeiert. Wildmoser und ich waren zusammen auf der Bühne und haben Betzelieder gesungen (lacht). Das war eine gewachsene Freundschaft. Dann hatten wir lange Zeit eine gute, bodenständige Freundschaft zu Werder Bremen. Ich glaube, da waren unsere Fans auch viel daran schuld, dass das kaputt ging. Es hängt ja oftmals viel an persönlichen Verbindungen, und wenn die mal weg sind, dann geht es schnell.
Unglaublich gerne bin ich nach Köln gefahren, das war immer die Hauptstadt unserer Erfolge (lacht). Höhepunkt war natürlich die Rückfahrt per Schiff nach Koblenz nach der Meisterschaft. Die Kölner haben immer gut darauf aufgepasst, dass niemand vom Gegner den Geißbock streichelt (lacht). Ein ehemaliger Nationalspieler meinte zu mir: „Geh doch mol hin und streichel de Bock“, dann bin ich hin und habe den Bock gestreichelt und dann haben sie verloren (lautes Gelächter). Die waren sehr abergläubig. Natürlich sind auch viele persönliche Freundschaften in Erinnerung. Wenn wir unter Präsidenten etwas abgemacht haben, dann hast du kein Papier gebraucht. Die waren alle ehrenamtlich, haben nur gebracht, nicht genommen, aber das ist heute leider vorbei.
Negativ in Erinnerung ist vor allem das Spiel in Leverkusen. Da ist alles Negative zusammengekommen. Ich kann gar nicht alles aufzählen, was da schiefgelaufen ist, was nicht hätte schieflaufen sollen und das Endergebnis war eben, dass wir wegen der Umstellung vom Zwei- auf das Dreipunktesystem und anderen Dingen abgestiegen sind. Wir hatten nur Pech an den Schuhen, sind mit derselben Mannschaft im Jahr darauf aufgestiegen und wurden dann Deutscher Meister. Da kam mir ja niemand sagen, dass wir damals eine Gurkentruppe hatten. Aber manchmal läuft eben alles entgegen jeglicher Logik.
Eine Frage, die ebenfalls im Zuge der Kommerzialisierung im Profifußball auch in Kaiserslautern aktuell werden kann: Die Umbenennung unseres Fritz-Walter-Stadions. Wieder einmal würde Tradition dem Kommerz weichen. Was denken Sie über eine mögliche Umbenennung?
Man kann nicht erwarten, dass jemand, der gar nichts mit Fußball am Hut hat, Fritz Walter kennt. Aber ich würde in einem Gespräch, in einer schönen Präsentation Fritz Walters Leben und Handeln aufzeigen und mir zutrauen, den Sponsor zu überzeugen, dass er einen Mehrwert erzielen würde, wenn er den Namen Fritz Walter im Namen beibehielte. Mit einem Doppelnamen könnte ich mich noch anfreunden. Es steht ja auch in der Satzung, dass unser Stadion diesen Namen trägt, so einfach ist es also gar nicht, das zu ändern. Jedem guten Firmenchef müsste man klarmachen können, dass er einen Mehrwert kaufen würde, wenn er den Namen beibehielte. Ich versuche ja immer einen Kompromiss zu finden, aber beim Namen Fritz Walter finde ich keinen, dieser Teil muss Bestand haben. Nur in Verbindung mit einem anderen, das wäre für mich denkbar.
Pfaff, Opel, Coca-Cola, Karstadt- Beispiele für den wirtschaftlichen Niedergang der Stadt Kaiserslautern. Der FCK hat nach wie vor für viele Menschen einen besonders identitätsstiftenden Charakter. Ist Kaiserslautern ohne den FCK überhaupt denkbar? Den Leuten würde doch was fehlen…
Das würden wir wohl erst wissen, wenn es so weit wäre. Gott sei Dank sind die Zeichen aber jetzt wieder positiv, anders als vor zwei Jahren, als wir fast abgestiegen wären. Erst dann hätten wir gespürt, was das wirtschaftlich für die Region und für den Sport bedeuten würde. Alles wäre ganz gewaltig zurückgegangen, aber zum Glück konnte das alles abgewendet werden. Es muss immer alles für den Erhalt des Vereins getan werden. Es gibt nichts anderes als den FCK, was derart viele Menschen verschiedener Couleur zusammenbringt, das ist der Verein, bei dem der Arbeitslose neben dem Uniprofessor gleichberechtigt Fußball schauen, schreien und klatschen kann. Und deshalb ist das so wichtig für viele Menschen. Man sollte auch nicht glauben, dass nur die Leute, die auf den Betze gehen Sympathien für den FCK haben. Auch alte Leute, die schon eh und je via Radio und TV dem Betze die Daumen drücken, da gibt es unglaubliche Sympathien in unserer Region und weit darüber hinaus bis in andere Länder.
Abschließend: Sie kennen den Verein wie kaum ein Zweiter, durften Erfolge feiern und mussten bittere Stunden miterleben – sportlicher, wie auch persönlicher Natur. Was wünschen Sie sich in Zukunft für „Ihren FCK“?
Ich wünsche mir für meinen FCK, dass er die Erstklassigkeit behält. Dass er zwischenmenschlich, was die Mannschaft, die Funktionäre und das Umfeld, die Fanbewegung angeht, weiter zusammenwächst, dass das alles wieder Vorbildfunktion hat, die ausgebaut wird. Das ist ja bereits vorhanden, aber daran muss immer wieder permanent gearbeitet werden und dann hat der FCK wieder eine zukunftsträchtige Ausstrahlung. Dieser FCK gibt vielen Menschen mehr Lebensqualität. Ich sage immer: „Es gebt zwää Sache in de Palz – de Woi un de FCK. Un wammer versteht, die mit Genuss zu genieße, dann hot mer e großes Stick Lewensqualität.“
Vielen Dank für das Interview!