Interview mit “Kein Zwanni” – Fußball muss bezahlbar sein!

Mit der Initiative „Kein Zwanni für nen Steher“ hat sich in Deutschland erstmals eine Kampagne gegründet, deren Ziel es ist, sich für sozial verträgliche Eintrittspreise einzusetzen. Wir führten mit „Kein Zwanni“ ein interessantes Interview, was eigentlich seit der Gründung der Kampagne so alles geschah.

„Diese Aktion wird kurzfristig anlässlich der Preisgestaltung des Derbys am 19.9. [2010] durch die Gelbe Wand ins Leben gerufen. Eine Erhöhung von über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr lässt die Preise für einen Stehplatz auf 20 Euro und für Sitzplätze im Schnitt auf etwa 50 Euro steigen […] Wir sehen hier und anderswo einen Versuch, über Topspiele und Derbys ein signifikant höheres Preisniveau zu etablieren“ findet man als Hintergrund bei einem Klick auf die Homepage „www.kein-zwanni.de“. Wie ist die Kampagne nach diesem kurzfristigen Start inzwischen aufgestellt?

Lasst es uns so sagen: Wir sollten mal dringend die Homepage überarbeiten. Das ist nicht mehr ganz der letzte Stand. Aber wir hatten in letzter Zeit so viel um die Ohren, dass das leider hinten runtergefallen ist. Wir sind mit der Kampagne inzwischen viel weiter als auf der Homepage beschrieben. Es sind andere Fanszenen im Boot, wie z.B. Köln, München, Hamburg oder Berlin. Die meisten Aktionen gehen dabei leider immer noch von Dortmund aus, was daran liegt, dass wir nach anderthalb Jahren in Dortmund eine hohe Akzeptanz des Themas haben. „Kein Zwanni“ wird von einer breiten Masse getragen, weil es mit ein paar Ausnahmen allen einleuchtet, dass bezahlbare Preise die Grundlage von allem sind.

„Fußball als Volkssport erhalten.“, „Fußball muss bezahlbar sein“, diese und weitere Slogans kennen viele Stadionbesucher inzwischen, aber was genau verbirgt sich eigentlich dahinter?

Fußball ist ein Sport, der von der breiten Masse getragen wird. Und der erst durch die breite Masse groß geworden ist. Millionen Menschen in Deutschland betreiben Fußball, zigtausend Menschen gehen Woche für Woche los, um den Sport zu dem zu machen, was er ist. Dabei ist es eigentlich auch egal, ob das der Platzwart vom SC Siegelbach ist oder der Fan in der Kurve. Beide geben ihre Freizeit, um sie für den Verein aufzubringen und wollen eben mehr als konsumieren. Dabei ist der Sport das letze gesellschaftliche Element bei dem ein Maurer und ein Philosophieprofessor sofort einen Anknüpfungspunkt haben und über etwas reden können. Wenn wir anfangen Teile der Gesellschaft aus dem Stadion zu treiben – weil die sich das nicht mehr leisten können – dann wird diese letzte gesamtgesellschaftliche Brücke eingerissen. Das darf nicht passieren. Und die Vereine sollten auch ein Interesse daran haben, dass die jungen Fans nicht aus dem Stadion getrieben werden. Denn diese tragen den Verein. Was passiert, wenn die jungen Fans sich nicht mehr leisten ins Stadion zu geht, kann man ja in England zu Genüge beobachten. Fan wird man als junger Mensch. Man genießt die Atmosphäre im Stadion, schaut auf die Kurve und sagt „Da will ich mal hin“. Doof nur, wenn man da nicht hinschauen kann, weil Papa leider kein Geld für die Karten hatte.

Spruchbänder alleine verändern nicht die Welt. „Über die Spruchbänder hinaus“ lautete ein passender Text dazu in unserem Fanzine „Der WegbeGLeiter“. Um diese Ziele zu verwirklichen ist ein Mitspracherecht im Verein bzw. zumindest ein reger Austausch mit Selbigem wohl unabdingbar, so wie es einige Szenen inzwischen bei ihnen betreffende Themen, so auch hier in Kaiserslautern, besitzen – oder?

Aktiv am Vereinsleben teilzunehmen sollte die Grundvoraussetzung jedes Fans sein, völlig egal, ob der sich als Ultra definiert oder nicht. Wenn wir wollen, dass Fehlentwicklungen zurückgefahren werden und die Fans Gehör finden, dann muss man sich auch auf Gespräche – und Konflikte – mit dem Verein einlassen. Das kann unfassbar nervig sein, ist aber alternativlos. Ob man sich dabei in Vereinsgliederungen engagiert oder lieber unabhängig ist, hängt dabei vom Verständnis des Einzelnen oder der Gruppe ab.


Gerade erst haben Fans aus Dortmund wieder ein Zeichen gegen zu hohe Eintrittspreise gesetzt und sind ihrem Verein zwar zum Spiel gegen den Hamburger Sport-Verein e.V. gefolgt, haben das Spiel aber nur vor dem Stadion im Radio verfolgt. Fanden in den Wochen vor dem Spiel Versuche statt, den HSV zu einer Vergünstigung zu bewegen? Und wie ist euer Fazit vom neuerlichen Protest?

Die Gespräche mit dem HSV gab es schon im Sommer. Wir hatten ja vom Boykott in der letzten Saison abgesehen, weil der HSV uns ein Gesprächsangebot unterbreitet hatte. Dabei wurde von Seiten des HSV auch die Kategorie A+ abgeschafft. Allerdings nur für die Stehplätze, so dass die Fans des FC Bayern – die in dieser Saison die einzigen sind, die das betrifft – immerhin auch „nur“ 19€ für einen Stehplatz zahlen müssen, dafür die Preise aber bis 95€ raufgehen, wenn es um Sitzplätze geht. Die BVB Fans sollten 19 bis 84 Euro zahlen. Diese Preisstruktur war für uns nicht hinnehmbar. Aber es gab keine Verhandlungen mehr. Die Aktion hat ein gigantisches mediales Echo hervorgerufen. In jedem Spielbericht – bis hin zu den Tagesthemen – wurde über die Aktion gesprochen. Sogar ins Morgenmagazin wurde ein Vertreter von uns eingeladen. Ca 800 Fans standen vor dem Stadion im Regen und der Gästeblock war nicht ausverkauft. Niemand hätte mit so einem Erfolg gerechnet. Wir werden nun bei Gelegenheit wieder mit dem HSV Kontakt aufnehmen und die nächsten Schritte besprechen.

Vom oben erwähnten, ersten boykottierten Derby auf Schalke im September 2010 bis heute – Wie fällt euer Fazit der Kampagne aus und was würdet ihr euch für die Zukunft in Bezug auf Kein Zwanni wünschen?
„Kein Zwanni – Fußball muss bezahlbar sein“ hat in der Kürze der Zeit gigantisch viel erreicht. Darauf gilt es jetzt aufzubauen. Wobei die Kampagne leider immer noch viel zu sehr auf die Stehplätze reduziert wird. Dabei geht es genauso um Sitzplatzpreise. Wichtig ist, dass sich nun anderen Szenen der Kampagne anschließen. Wobei es elementar ist, dass man begreift, dass alle Fans im selben Boot sitzen. Hohe Preise betreffen alle Fans, egal, ob die Sitzplatzbesucher, klassische Kurvengänger oder Ultras sind. Wenn wir es nicht schaffen die Preise in Deutschland stabil zu halten ist der Sport in Deutschland bald mausetot.

Vielen Dank für das Gespräch!